Simon Wascher
Musiker
Traditionelle europäische Tanzimprovisation

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e: k o n t a k t @ s i m o n w a s c h e r . i n f o



Definitionen
Volkstanz  |  Europaeische traditionelle Tanzimprovisation  |  Folktanz  |  Tanzausführung  |  Tanzform
Volkstanz
Zu unterscheiden sind Volkstanz und Volkstanzpflege
Volkstanz
Volkstanz ist was die Bevölkerung tanzt, alle für sich, so, wie sie gerade können.
"Waehrend die hoefische Form durch die Festlegung der Taenze durch bestellte Tanzlehrer erstarrt und kunstmaessig in Figur, Haltung und Schritt erlernt werden muss, bleibt der Volkstanz das, was er immer war, ein freies, schoepferisches Spiel, das in seiner Ursprünglichkeit dem eigenen Temperament, der freien Gestaltung überlassen bleibt und durch einfaches Zusehen und Mitmachen erlernt werden kann."
Herbert Oetke: Der deutsche Volkstanz. Berlin 1982. Band I, S. 98
Volkstanzpflege
der Inhalt oder Zweck ist das Nachtanzen überlieferter und aufgezeichneter Tanzformen. Konkrete Aufzeichnungen vergangener Tanzpraxis, diesem freien schöpferischen Spiel wie es Oetke beschreibt, werden nachgetanzt "in der bewußten Volkstanzpflege (im sogenannten 2. Dasein)"
(Karl Horak: Das Steirische Tanzen. In: Die Kärntner Landsmannschaft, Jg 1979, Klagenfurt 1979, Heft 10, S.10)
(zum Begriff 'zweites Dasein' siehe: Walter Wiora: Der Untergang des Volksliedes und sein zweites Dasein. In Walter Wiora (Hg.): Das Volkslied heute (=Musikalische Zeitfragen, Bd. 7), Kassel 1959, S. 9-25)
Das Tanzen im Bewusstsein dessen, dass man etwas nachtanzt was in der Vergangenheit schon einmal geanzt wurde ist ein zentraler Unterschied. Ohne dieses Bewusstsein könnte es ja jederzeit geschehen, dass man intuitiv etwas anderes tanzt.
Im Grunde ist die Volkstanzpflege eine Form von Living History. Es enthält es einen reichen Schatz an Erfahrungen und einen wertvollen Zugang zur Kenntniss der Lebenswelten vergangener Zeiten.
Europaeische traditionelle Tanzimprovisation
ist improvisiertes Tanzen zur Musik und in den Bewegungsformen des europaeischen Tanzkulturkontinuums.

Getanzt wird zum Vergnügen der konkret miteinander Tanzenden, ohne gewollte Wirkung nach aussen.

Das Tanzen ist Teil einer Festkultur, die gleichwertig auch Trinken und Essen, Zusammensitzen und persönliches Gespräch, Musik -Machen und -Hören umfasst. Die Wahl der Bekleidung ist frei, es darf etwa auch mit Strassenschuhen getanzt werden.

Das Tanzen erfordert ständige gegenseitige Rücksicht. Alle tanzen was sie möchten und verhalten sich so, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr behindert oder belästigt wird als nach den Umständen unvermeidbar.

Die traditionellen Tanzformen sind die Quelle und die Grundlage tänzerischer Abwechslung.

Tanzformen sind wie Wege denen man folgt - sie werden gewechselt, umgestaltet und verlassen, ie nach dem wohin man will.

Die Vielfalt der Tanzformen bildet eine Vielfalt an Wegen zu einem breiten emotionalen Spektrum des Tanzens.
Diese Wege zu erhalten ist wichtig, aber nicht der Inhalt oder Zweck des Tanzens.

Beim Volkstanz und Folkloretanz ist das bewusste Nachtanzen überlieferter und aufgezeichneter Tanzformen der Inhalt oder Zweck. Bei der europaeischen traditionellen Tanziprovisation ist das nur einer der möglichen Wege.

Bei der europaeischen traditionellen Tanziprovisation wird nicht im Bewusstsein der Aufzeichnungen getanzt, trotzdem könnte jede Tanzimprovisation in den Aufzeichnungen zu finden sein.

Folktanz
1. Getanzt wird beim Folktanz zum Vergnügen der konkret miteinander Tanzenden, ohne gewollte Wirkung nach aussen.

2. Die Teilnahme am Tanzen erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Jeder Teilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr behindert oder belästigt wird als nach den Umständen unvermeidbar.
Innerhalb dieses Rahmens dürfen Alle tanzen was sie möchten.

3. Das Tanzen ist eingebunden in eine Festkultur, die gleichwertig auch Trinken und Essen, Zusammensitzen und persönliches Gespräch, Musik -Machen und -Hören umfasst.

4. Die Wahl der Bekleidung ist frei, es darf etwa auch mit Strassenschuhen getanzt werden.

5. Die Musik und die Tanzformen entstammen den Tanzkulturen Europas, die Definitionen aus dem Standardtanz haben hier keine Gültigkeit.



Tanzausführung

Gesamtheit der Tanz-Bewegungsfolgen, vom Tanzbeginn bei Einsetzen der Musik bis deren Ende oder dem bewussten Wechsel ("jetzt tanze ich etwas Anderes") zu einer anderen Tanzausführung.



Tanzform
Wenn man von Tanzformen spricht, ist es wichtig zu beachten, dass damit keine in der Welt vorkommenden abzählbaren Phänomene (wissenschaftlich: diskrete Phänomene) beschrieben werden, wie es zum Beispiel die chemischen Elemente wären: Jedes chemische Element ist eindeutig beschreibbar und unterscheidbar und kommt in der beschriebenen Form in der Welt vor.

Bei den Tanzformen verhält es sich aber anders. "Tanzformen" sind mehr wie die Höhenlinien in der Geografie: künstlich vom Beobachter geschaffene abstrakte Begriffe die Aspekte der Welt zusammenfassen zur Beschreibung und Ordnung eines eben nicht "diskreten" Kontinuums. Praktisch heisst das, dass man beim Reden über Tanzformen im Auge behalten muss, quasi über Höhenlinien zu reden und nicht über Berge.
So wie es falsch wäre, in den Bergen nach Höhenlinien Ausschau zu halten, wäre es falsch das Tanzen in der Welt als aus abstrakten beschriebenen Tanzformen bestehend zu vermuten.

Es ist wichtig, sich stets vor Augen zu halten, dass diese, im Zuge der Kommunikation über das Tanzen gebildeten, den Höhenlinien entsprechenden künstlichen Begriffe keine konkreten Phänomene der Welt sind sondern der Kommunikation über die Welt, und, dass es ein Irrweg ist individuelles Tanzen nach diesen Begriffen zu gestalten und zu bewerten.

Anmerkung: es kann vorkommen, dass man in der Welt eine Tanzausführung beobachtet, die genau die Definition des abstrakten Begriffes erfüllt. Dies ist aber nicht relevant für das Tanzen im allgemeinen: es ist, um den Begriff als künstlich gesetzt erkennbar zu machen, ohne weiteres belegbar, dass es in der realen Welt tradierte tänzerische Bewegungsformen gibt die einer beliebigen Definition etwa von "Schottisch" beliebig ähneln ohne ihr zu gleichen.
Wie die Höhenlinien, die auch in anderen Positionen gezogen werden können, deren Setzung also willkürlich ist und lediglich den Zwecken des Beobachters folgt, sind auch die Tanzformen willkürlich vom Beobachter nach seinen Zwecken definierte Begriffe.

Der Eindruck von (diskreten) nebeneinander bestehenden an eindeutigen Merkmalen unterscheidbaren Tanzformen entsteht vermutlich durch die Art der Beobachtung, und die Art wie diese Beobachtungen interpretiert werden: Einzelne Beobachtungen des Tanzens sind immer punktuell, es werden also konkrete Personen zu einem bestimmten Moment beobachtet.
Dabei wird beobachtet wie diese Personen in diesem Moment tanzen. Der Ort ergibt sich weil eine Person nur an einem Ort zugleich sein kann - für das Zuordnen des Tanzens ist er unerheblich.

Ein Gesamtbild des Tanzens müsste aber auf der Beobachtung einer Vielzahl von Personen an verschiedenen Orten zu einem bestimmten Zeitpunkt beruhen, und diese Beobachtungen dann in einen zeitlichen Zusammenhang stellen.

Eine solche Betrachtung ergibt dann aber, dass sich das Tanzen der selben oder anderer Personen an einem Ort von dem Tanzen anderer Personen an anderen Orten nur graduell unterscheidet, nicht abzählbar. Es entsteht somit das Bild eines Tanzkontinuums, nicht einzelner Tanzformen, diese entpuppen sich als Gruppen von Einzelmesswerten innerhalb des Tanzkontinuums.

Bei Bedarf können diese Einzelmesswerte verschieden zusammengefasst werden, auch nach anderen Kriterien als bisher, zu quasi "anderen" "Tanzformen".

Dass "Tanzformen" noch heute häufig bevorzugt nach "nationalen" Gesichtspunkten gebildet werden (geografisch/sprachlich/nach Verwaltungseinheiten) ist ein Residuum, ein Fortwirken des Nationalismus - keine Notwendigkeit.


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