Vom "Solidarischen Veganismus"
immer wieder treffe ich Menschen die Vegan essen. Sie tun dies aus verschiedenen Gründen, so etwa aus religiösen, tier-ethischen, gesundheitlichen, persönlichen, oft aber auch aus Rücksicht auf die Welternährung, zur Resourchenschonung, also aus Solidarität mit dem Rest der Welt, den anderen Menschen, Tieren und sonstigen Lebewesen.
Zu diesem Beweggrund möchte ich im folgenden ein paar Anmerkungen machen, die ihn meines Erachtens nach ernsthaft in Frage stellen.
Das Grundargument dieser im folgenden von mir "Solidarischer Veganismus" genannten Ernährungsweise lässt sich pointiert so zusammenfassen "um ein Kilo Fleisch zu erhalten müssen zwölf Kilo Getreide verfüttert werden" - in dieser Form etwa wurde es mir unterbreitet (ob die Gewichtsangaben stimmen habe ich nie überprüft und tut für das Verständnis des Argumentes auch nichts zur Sache).
"Solidarischer Veganismus" zielt also darauf ab, sich direkt rein pflanzlich zu ernähren, und den "uneffizienten" Zwischenschritt der Tierfütterung zu vermeiden. So sollen Resourcen geschont werden und mehr Menschen ernährt.
Diese Argumentation geht davon aus, dass tierische Produkte durch das verfüttern von auch für den Menschen geeigneter Nahrung erzeugt werden, was allerdings nur in besonderen Fällen (der Intensiv-Mast) zutrifft.
Der Sinn und Erfolg der Verwendung von tierischen Produkten - auch zur Ernährung - liegt jedoch eben darin, Resourcen zu erschliessen, die bei veganer Lebensweise nicht zugänglich wären. Das verfüttern von Lebensmitteln ist in diesem Zusammenhang ein Sonderfall, ein sehr problematischer, analog zum Problem der energetischen Verwertung von Lebensmitteln.
Worum es geht möchte ich im folgenden kurz an praktischen Beispielen zeigen:
1. Beispiel: Alpine Landwirtschaft
Hier werden, in einer mit dem Naturschutz gut vereinbaren Art und Weise, siehe Nationalpark Hohe Tauern, Resourcen erschlossen die einer "veganen Landwirtschaft" unzugänglich sind. Rinder fressen Pflanzen die ein Mensch nicht verdauen kann, und wandeln diese Pflanzen in Lebensmittel um: Milchprodukte und Rindfleisch, mit Horn und Leder als klassischen weiteren Nebenprodukten.
Eine alternative direkte Verwertung der dort wachsenden Pflanzennahrung dieser Tiere ist nicht möglich, der Mensch kann sie nicht verdauen. Ebenso unmöglich wäre die Verwendung dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen für die direkte Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel. Getreide, Hülsenfrüchte, Erdäpfel oder Gemüselandbau würden in diesen Lagen keinen gleichwertigen Ertrag bringen beziehungsweise grundsätzlich nicht funktionieren, und wenn sie denn funktionierten, würden sie das bestehende alpine Ökosystem schwerwiegend verändern. (Anmerkung: Die - alpine - Permakultur Sepp Holzers ist keine "vegane Landwirtschaft". Holzer schreibt: "Holzer'sche Permakultur beinhaltet Landschaftsgestaltung, ... Fischerei, ... Tierhaltung, ... Almwirtschaft ...").
2. Beispiel: Heidelandwirtschaft
Die Schwierigkeit der Heidelandwirschaft besteht in der Bewirtschaftung sehr karger Böden. Darin spielt die Gewinnung von tierischem Dünger zur Erhaltung des Ertrags der Felder eine wichtige Rolle. Die Schafe werden nächtens in Unterstände geführt, damit der dort konzentriert abgegebene Dung auf die Felder ausgebracht werden kann. Dieser Dung ist für den Ackerbau dort unerlässlich und neben Fleisch und Wolle ein wesentlicher Ertrag der Tierhaltung. Auch hier wäre eine langfristige landwirtschaftliche Nutzung ohne den Einsatz von Tieren nicht möglich, oder nur unter der Inkaufnahme einer schwerwiegenden Veränderung des bestehenden Ökosystems (Ohne die Eingriffe durch den Menschen wären die norddeutschen Heideflächen ebenso nährstoffarme Kiefernmischwälder).
3. Beipiel: Waldweide
Bei der Waldweide wird das Vieh in die Wälder getrieben um sich dort von den Früchten der Bäume zu ernähren, insbesondere von Eicheln und Bucheckern. Auch hier wird das Vieh dazu genutzt Resourcen zu erschliessen, die dem Menschen direkt nicht zugänglich sind. Theoretisch wäre es zwar möglich, diese Früchte des Waldes auch ohne den Einsatz von Tieren für den menschlichen Genuss aufzubereiten und direkt zu verwerten, allerdings mit grossem Aufwand. Diese Wälder würden dabei wesentlich stärker vom Menschen verändert als beim Einsatz des Viehs für diese Zwecke.
Gemeinsam ist diesen Beispielen, dass sie zeigen, dass in vielen Bereichen eine rein pflanzliche Landwirtschaft nicht möglich ist, oder mit einer starken Veränderung der bestehenden Ökosysteme einhergehen würde, eine rein pflanzliche Landwirtschaft zu einer Verringerung der Resourcen führen würde, nicht zu deren Vermehrung.
Das grundsätzliche Propagieren einer rein pflanzlichen Ernährung "aus Solidarität" ist also ein Irrtum. Vielmehr ist darauf zu achten, so wenig wie möglich Lebensmittel oder Resourcen zu verwenden, zu deren Herstellung als Ausgangsprodukte Lebensmittel verfüttert oder verarbeitet werden. Lebensmittel sollten gegessen werden.
Dies berücksichtigend können Fleisch, Milch- und andere tierische Produkte ein Beitrag zu einer solidarischen resourcenschonenden Lebensweise sein:
* "Nur tierische Produkte essen und verwenden von Tieren die nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen gefüttert wurden" (aus Almwirtschaft, Weidewirtschaft, Wildtiere, Grasfresser, Speiseresteverwerter, ...)
* "Wenn trotzdem Tiere in Nahrungskonkurrenz zum Menschen gefüttert werden, sollen diese Tiere schlussendlich auch gegessen und verwertet werden" (Reitpferde, Arbeitstiere, Legehennen, Milchkühe, Milchziegen, Wollschafe, ...)